Eine Freundin erzählte, sie habe mit ihrer Tochter die Filiale eines sehr angesagten US‑amerikanischen Modelabels besucht. Die Tochter ist 15. Sie hatte sich geweigert, eine Winterjacke anzuziehen, und war bei Minusgraden in Kapuzenjacke zur Schule gegangen, bis die Mutter nur noch einen Ausweg sah, um das Kind vor dem Erfrieren zu bewahren: den Gang zu der eine Woche zuvor eröffneten Filiale. “Wenn ich dir dort eine Jacke kaufe, wirst du sie tragen?” Schon saß die Tochter im Auto.
Zum Marketingkonzept des Modelabels gehört es, keine Werbung zu machen. Das Label ist so cool, dass es Werbung nicht nötig hat, der Name des Labels steht nicht mal über dem Eingang oder an den verdunkelten Schaufensterscheiben des Ladens. Dafür standen, als Mutter und Tochter ankamen, vor dem Eingang ein Türsteher und Horden von Teenagern, die darauf warteten, dass der Türsteher sie einlassen würde. Die Freundin und ihre Tochter warteten eine knappe Stunde. Später erfuhren sie, dass sie noch Glück gehabt hatten. Am Eröffnungstag musste das Parkhaus des Einkaufszentrums, in dem sich die Filiale befindet, wegen Überfüllung geschlossen werden. Meine Freundin kaufte der Tochter eine Winterjacke und verhinderte so ihren Kältetod.
Ich wollte den Laden sehen, der Leben rettet. Ich stellte mich in die Schlange. Der Türsteher, ein vielleicht 18 Jähriger, trug wie alle Verkäufer und Verkäuferinnen Jeans, ein kariertes Hemd und Flipflops. Er sah sehr gut aus. Die Verkäufer dieses Modelabels heißen nämlich nicht Verkäufer, obwohl sie auch nur Hemden zusammenlegen, sondern “Store Models”, sie werden nicht eingestellt, sondern gecastet.
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